früher Einbezug erhöht Akzeptanz, kein Bruch der Gewaltenteilung!

Der Stadtrat lehnt ein Postulat für frühere politische Mitsprache ab – mit Verweis auf die Gewaltenteilung. Doch Empfehlungen sind keine Entscheide. Ein früher Reflexionspunkt könnte Projekte legitimieren statt blockieren. Ein Vergleich aus dem Alltag zeigt: Wer erst am Schluss ein fertiges Paket präsentiert, produziert Widerstand und Risiken. Das Parlament soll jetzt den Zwischenstopp beschliessen – damit die grossen Vorhaben der nächsten Jahre tragfähiger werden. Wer Politik ausschliesst, macht Projekte angreifbar. Wer sie einbindet, macht sie stark.

Der Stadtrat von Wil lehnt das Postulat von Roger Edelmann (FDP) „Früherer Einbezug der Politik bei der Entwicklung von Bauprojekten“ ab. Er argumentiert, dass dadurch die Gewaltenteilung gefährdet sei. Diese Behauptung ist übertrieben und schlicht falsch: Politische Empfehlungen sind keine Entscheide und schränken die Zuständigkeiten des Stadtrats oder der Verwaltung nicht ein. Im Gegenteil, ein frühzeitiger politischer Reflexionspunkt in oft jahrelangen Planungsprozessen stärkt die Legitimation von Projekten, anstatt sie zu gefährden.

Wie absurd das heutige Vorgehen im Bau- und Umweltdepartement (BUV) ist, lässt sich mit einem Bild aus dem privaten Alltag veranschaulichen:

Stellen Sie sich vor, Sie wissen, dass Sie in zwei Jahren aus Ihrer Wohnung ausziehen müssen. Sie beauftragen einen Architekten mit der Planung Ihres neuen Zuhauses und stellen ihm ein Budget zur Verfügung. Danach hören Sie lange nichts mehr. Erst kurz vor Ablauf der Frist und nachdem der Architekt selber Standort, Fachplaner und Ingenieure, Raumprogramm, Materialien, Energiestandards, Kosten etc. entschieden hat, legt er Ihnen ein fertiges Projekt vor. Ihr Budget ist jetzt aufgebraucht, genauso ihr Zeitpolster. Ihre Option ist nur noch das Projekt abzunicken oder abzulehnen. Letzteres würde bedeuten, dass Sie ins Provisorium ziehen müssen und noch mehr Geld und Zeit in zusätzliche Planung investieren. Genau so laufen heute Bauprojekte im BUV ab.

Das Postulat fordert lediglich einen Zwischenstopp mitten im Prozess, um rechtzeitig Rückmeldungen aus dem Parlament (stellvertretend durch die Bau- und Verkehrskommission) einzuholen. Es soll keine operative Einmischung sein, sondern eine Gelegenheit, Empfehlungen frühzeitig einzubringen. Der Stadtrat könnte diese Empfehlungen tatsächlich ignorieren oder er kann konstruktiv damit umgehen und dafür sorgen, dass Projekte besser abgestützt und potenziell konfliktärmer werden.

Tatsächlich aber reagiert der Stadtrat mit abschottender Haltung. Er zündet ein Detailfeuerwerk, dass einem fast den Blick auf den Kern des Postulats vernebelt und schwört unbegründete Ängste einer „Erosion der Gewaltenteilung“ herauf. Selber bringt er keinen Lösungsansatz hervor. Dieses Ein-Igeln und Abwehren schadet den eigenen Projekten und erhöht das Risiko, dass sie im Parlament oder an der Urne scheitern.

Was am Schluss das Gelbe vom Ei ist, wissen auch wir nicht. Aber wir suchen wenigstens nach einem Ausweg aus diesem unbefriedigenden Zustand. Wir hoffen, dass das Postulat im Parlament für erheblich erklärt wird und dass alle Parteien aktiv an einer Lösung mitgestalten. Besonders im Hinblick auf die vielen grossen Bauprojekte der nächsten Jahre, sollten wir vorwärts machen. Wer die Politik ausschliesst, macht Projekte angreifbar. Wer sie einbindet, macht sie stark.

Roger Edelmann
5. September 2025